Donnerstag, 18. Januar 2024

Citysoftnet bereits kurz nach seiner Einführung vor dem Aus?

In Bern droht das kürzlich eingeführte Citysoftnet-System, eine Fallführungssoftware für den Sozialbereich, durch einen kantonalen Beschluss bereits wieder obsolet zu werden. Die Stadt Bern steht kurz nach der mühsamen Implementierung und der Bewilligung erheblicher Nachkredite vor einer möglichen Ablösung des Systems, was zu einem finanziellen Verlust von rund 18.7 Millionen Schweizer Franken führen könnte. Wir fordern nun dringend Klarheit und erwägen eine offizielle Untersuchung der Sachlage

Der Berner Stadtrat hat an seiner Sitzung vom 18. Januar 2024 über den dritten Nachkredit zum Geschäft Citysoftnet, der Berner Fallführungssoftware für den Sozialbereich, beschlossen. Nach einer fast zehnjährigen Realisierungsphase wurde das neue Fallführungssystem im Sommer 2023 implementiert, mit ausserordentlich grossen Schwierigkeiten. Nicht nur war die Software so langsam, dass Arbeiten unmöglich war, so konnten auch tausende Rechnungen nicht bezahlt werden. Ein Grossteil dieser Probleme ist nun behoben. Doch nun wirft ein Entscheid des kantonalen Parlaments neue Fragen zum Umgang der Stadt mit ihren Finanzen auf.
Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, hat der Kanton Bern in der Wintersession beschlossen, einen Kredit für die Beschaffung, Realisierung und Implementierung eines neuen Fallführungssystems (NFFS) zu sprechen. Die erklärte Absicht des Kantons ist es, dieses kantonale System zwischen 2026 und 2028 verpflichtend für alle Gemeinden im Kanton Bern einzuführen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Citysoftnet möglicherweise gar nicht mehr benötigt wird und aller Wahrscheinlichkeit nach in den nächsten 4 bis 6 Jahren schon wieder abgelöst werden muss.
Bis heute stellen wir kein Problembewusstsein für diese Thematik bei der Stadt Bern fest. Die Entscheidung des Grossrats verändert aus unserer Sicht die gesamte Ausgangslage für Citysoftnet. Laut der Darstellung des Kantons Bern scheint schon länger klar zu sein, dass die Berner Fallführungssoftware nicht als kantonales System in Frage kommt und wohl auch eine Schnittstellenlösung nur eine temporäre Überbrückung bieten kann. Vor diesem Hintergrund verstehen wir nicht, warum nicht bereits im Frühjahr 2023 geprüft wurde, ob sich eine Einführung von Citysoftnet überhaupt noch lohnt oder ob man sich nicht direkt am Pilotversuch des Kantons hätte beteiligen sollen. Wir waren bis zuletzt der Meinung, dass die Stadt Bern ohne entsprechende Nachkredite im Sommer 2023 komplett ohne Lösung dastehen würde. Mit den jetzt bekannt gewordenen Informationen hätte man viel früher die Notbremse ziehen können, um weitere finanzielle Mittel zu sparen. Jetzt ist es, wie es ist, wir können nichts mehr ändern und sind gezwungen, als Stadtrat weitere Nachkredite zähneknirschend zu genehmigen, ohne jeglichen Handlungsspielraum zu haben.
Dies alles sind finanzpolitisch und politstrategisch fragwürdige Entscheidungen. Sollte es tatsächlich zu einer baldigen Ablösung von Citysoftnet kommen, hätte die Stadt Bern mit den heute Abend gesprochenen Nachkrediten rund 18.7 Millionen Schweizer Franken in den Sand gesetzt. 18.7 Millionen. Diese Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen und weitere Mehrkosten zeichnen sich ab.
Der Umgang mit den städtischen Finanzen und öffentlichen Mitteln ist sehr bedenklich. Es fehlt die Weitsicht auf vielen Ebenen. Die Stadt scheint weiterhin überzeugt zu sein, dass für sie einmal mehr eine Ausnahmeregelung gefunden wird oder pokert darauf, dass das kantonale System nicht rechtzeitig zur Implementierung zur Verfügung steht. Aus unserer Sicht ist das Vorgehen bei diesem Projekt mehr als fragwürdig. Wir sehen bei diesem Geschäft noch erheblichen Aufklärungsbedarf und werden in der nächsten Stadtratssitzung sicherlich mit einer Interpellation nachhaken. Ebenso behalten wir uns vor, eine Untersuchung in der GPK anzustossen.