Donnerstag, 9. Februar 2023

Organisierte Bettelbanden in der Stadt Bern

Bezugnehmend auf eine von der Stadt Bern im Dezember 2022 versendete Medienmitteilung,[1] in der vor organisierten Bettelbanden aus Osteuropa gewarnt wurde, wurde im Stadtrat vergangene Woche von links-grün eine Motion[2] eingereicht, welche nicht nur die städtische Kommunikation in dieser Angelegenheit scharf kritisierte, sondern auch die Durchführung einer Studie zu den Lebensumständen der Bettlerinnen und Bettler in der Stadt Bern fordert.

Kritisiert wurde im Vorfeld der Diskussion insbesondere, dass die Stadt Bern die Bevölkerung dazu aufgerufen hat, Bettlerinnen und Bettlern kein Geld zu geben. Dies mit der Begründung, dass wenn Passantinnen und Passanten bettelnden Personen Bargeld aushändigen, finanzielle Anreize für Personen gesetzt werden, die im Hintergrund agieren und vom erbettelten Geld profitieren. Dies wirke sich wiederum negativ auf die von organisierten Bandenbettelei betroffenen Personen aus.

Aus liberaler Sicht versteht die GLP/JGLP-Fraktion die inhaltliche Kommunikation des Gemeinderates und der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie, ist aber klar der Meinung, dass das Wording der Medienmitteilung gehörig zu wünschen übriglässt. Wir möchten deshalb eine differenzierte Haltung der Sache einnehmen. Die Presseerklärung der Stadt Bern ist kommunikativ höchst problematisch und unglücklich formuliert und zementiert stereotypische Rollenbilder in Zusammenhang mit bandenmässiger Bettelei, die aus unserer Sicht zu wenig kritisch hinterfragt wird. Gleichsam begrüssen wir die Intention der Stadt, Opfer von organisierten Bettelbanden zu schützen und jeglichen Menschenhandel strikt zu unterbinden.

Wir erachten das Vorgehen der Stadt Bern, bettelnde Personen anzusprechen, statt wegzuweisen, Kontrollen durchzuführen und Betroffene auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen, als die richtige Herangehensweise zur Bekämpfung von Menschenhandel. Zudem sind wir der Meinung, dass es in der Schweiz gute Sozialversicherungssysteme und niederschwellige Auffangnetze gibt, die auch ausländischen Personen offenstehen. Wer dennoch von Armut betroffenen Personen etwas unter die Arme greifen möchte, kann jederzeit nach den persönlichen Wünschen an Gütern des täglichen Bedarfs fragen und etwas Kleines einkaufen gehen und verschenken. Auch Spenden an Hilfsorganisationen, die die Gelder gezielt einsetzen, so dass sie auch jenen zugutekommen, die es wirklich brauchen, sind sicherlich gerne gesehen. Schlussendlich steht es jeder Person frei, für sich selbst zu entscheiden, ob sie Bettlerinnen und Bettlern etwas geben möchte oder nicht.

Eine Studie hingegen wird das Problem nicht lösen. Dies einerseits, weil bereits in anderen Schweizer Städten eine ähnliche Untersuchung durchgeführt wurde, die auch für Bern ihre Gültigkeit hat, und andererseits, weil das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht als zielführend erachtet wird. Die Motion ist ein weiterer Papiertiger, der keinen echten Mehrwert für die Betroffenen bringt. Sind wir mal ehrlich, das Problem der bandenmässigen Bettelei liegt ganz woanders, nämlich bei der Armut der betroffenen Personen in ihren Herkunftsländern. Wir betreiben hier in der Schweiz lediglich Symptombekämpfung für ein Phänomen, dessen Ursachen im nahen Ausland zu suchen sind. Packen wir doch besser gleich die Ursache an!

 

[1] Medienmitteilung Stadt Bern: Vorsicht vor organisierten Bettelbanden, URL: [https://www.bern.ch/mediencenter/medienmitteilungen/aktuell_ptk/vorsicht-vor-organisierten-bettelbanden], Stand: 14.12.2022.

[2] Interfraktionelle Motion SP/JUSO, GB/JA! (Sofia Fisch, JUSO/Lea Bill, GB): Bekämpfung von Diskriminierung und Verdrängung von Bettler*innen, URL: [https://ris.bern.ch/Geschaeft.aspx?obj_guid=587c41a48f08427b9f8515f1ef522496], Stand: 26.01.2023.